Geschichte

"Du riechst nach den Hormonen, die Verliebte ausdünsten.", erklärte Bloodwyn. "Und wo verletze ich bitte Gefühle?"

"Du verletzt meine Gefühle! Immer und immer und immer wieder!", warf Annie ihm vor. "Und ich rieche sicher nicht nach Verliebtheitshormonen!" Sie ballte ihre Hände zu Fäusten.

Bloodwyn schüttelte den Kopf. "Tu ich nicht. Jedenfalls nicht absichtlich. Und doch, genau danach riechst Du... ein bisschen wie Schokolade oder Erbsen."

Annie schüttelte den Kopf. "Tue ich nicht! Das tue ich nicht." Sie hockte sich hin und hielt die Hände vor ihr Gesicht. "Du lügst!"

Bloodwyn setzte sich zu ihr. "Du weißt, dass ich nicht lüge.", meinte er ernst und sah sie an. "Du weißt es genau so gut wie ich."

"Nein!", schrie Annie. Sie wollte es nicht zugeben. "Ich bin nicht in ihn verliebt. Er steht auf Männer. Wieso sollte ich auf ihn stehen?" Sie hielt noch immer ihre Hände vor ihr Gesicht, damit Bloodwyn nicht sah, dass sie schon wieder weinte. Sie weinte eindeutig viel zu viel.

Bloodwyn sah sie ernst an. "Du bist in ihn verliebt, Annie Katerina. Das ist keine Schande und passiert." Er klang jetzt beinahe sanft - so wie es eben bei ihm ging.

"Ich will das aber nicht.", schluchzte Annie. "Er wird mir mein Herz brechen. Mein Herz wird für immer zerspringen." Noch immer hielt sie ihr Gesicht versteckt, auch wenn man hörte, dass sie weinte. "Ich will ihn nur als guten Freund sehen. Ich will das nicht."

Bloodwyn legte vorsichtig einen seiner Spinnenarme um sie. "Du solltest mit ihm offen darüber sprechen.", riet er. "Er kann Dir bestimmt helfen."

Annie schüttelte den Kopf. "Er denkt, dass ich in dich verliebt bin. Ich will nicht zugeben, dass ich gelogen habe. Er ist mein einziger Freund hier..."

"Er wird Dich verstehen, wenn er Dein Freund ist." Bloodwyn sah sie weiter so ausdruckslos an. "Ihr könnt immerhin zusammen Männer zum Geschlechtsverkehr überreden oder... "aufreißen", wie auch immer Du es nennen magst."

Annie schubste ihn zur Seite und offenbarte so ihre Tränen. "Ich will keinen Sex! Nie wieder!" Sie sah ihn leicht ängstlich an.

Bloodwyn sah sie an. "Natürlich. Ich verstehe." Unbeeindruckt von ihrer Abweisung reichte er ihr ein Taschentuch. "Ich würde auch niemals versuchen, Dir was anzutun, falls das Deine Sorge ist."

Annie schüttelte den Kopf. "Das meine ich nicht.", schluchzte sie. "Ich kann mich nur nicht mehr so auf einen Menschen einlassen. Nie wieder." Sie wischte ihre Tränen weg und stand auf. "Tut mir leid, dass ich dir so zur Last gefallen bin."

"Ist vollkommen in Ordnung." Bloodwyn stand ebenfalls auf. "Ich würde dennoch versuchen, mit Cobalt zu reden. Ich wüsste nicht, weshalb er Dir böse sein sollte."

"Weil ich seine Freundin bin und weiß, dass er nichts für Mädchen empfindet." Annie sah ihn an. "Wenn du in mich verliebt wärst, würdest du es mir sagen, obwohl du weißt, dass ich einen anderen liebe?"

"Nun, ich war noch nie verliebt, insofern kann ich das wohl kaum beurteilen." Bloodwyn stellte sich leicht schief. "Aber es wäre nur ehrlich."

Annie ging auf ihn zu und blieb direkt vor ihm stehen. "Warum willst du dann wissen, was richtig und was falsch ist." Sie sah ihm in die Augen. "Wenn du nie verliebt warst, woher willst du wissen, was ich machen soll?"

"Wenn man etwas nicht selbst nachvollziehen kann, interessiert man sich dafür, liest darüber und schaut Filme.", erklärte Bloodwyn ohne große Umschweife. "Ich kenne sämtliche Liebesfilme seit 1900 und sämtliche Bücher seit 1850."

Annie seufzte und sah ihn ungläubig an. "Das ist nicht dein Ernst oder?", fragte sie nach. "Du interessierst dich für die Liebe, guckst und liest aber nur darüber, anstatt irgendwas auszuprobieren?"

"Ich empfinde kaum etwas.", erklärte Bloodwyn. "Darum geht es allerdings nicht. In 73 Komma Periode 3 Fällen scheitert die Liebe an zu wenig Kommunikation, soweit meine Interpretation."

"Meine Liebe scheitert daran, dass er auf Männer steht. Hörst du mir eigentlich zu?" Annie legte den Kopf leicht schief. "Und du hast noch nie ein Mädchen geküsst?"

"Tu ich und dennoch meine ich, dass auch in diesem Fall Kommunikation gegen Liebeskummer hilft. Schließlich ist er ein Freund, er will nur das Beste für Dich." Bloodwyn sah sie ernst an und schüttelte den Kopf. "Noch nie."

"Ich glaube nicht, dass Kommunikation hilft. Es macht es eher schwieriger." Annie seufzte und setzte sich auf sein Bett. "Echt noch nie? Und wolltest du auch noch nie?"

"Er wird Dir nicht böse sein." Bloodwyn blieb stehen. "Nein, noch nie. Ich hab nicht mal meine Mutter geküsst. Ich habe nicht einmal eine Mutter." Er setzte sich dann doch auf den Tisch und stützte seine spindeldürren Beine auf einen Stuhl.