Geschichte

Angel drehte sich schweigend zur Wand und schloss für einen Augenblick die Augen. Zwei Stunden Schlaf, dann wieder Nachtwache halten. Dann wieder zwei Stunden Schlaf. So ließ es sich doch eigentlich ganz gut aushalten.

Eve saß nachdenklich in der Küche, in der noch eine einsame Glühbirne brannte, die aber vermutlich bald den Geist aufgeben würde. Sie strich sich ein wenig durch ihre offenen Haare und seufzte.

Sasha sah aus dem Fenster. Sie fühlte sich allein gelassen, obwohl sie wusste, dass John sie nie allein lassen würde. Immerhin war er ihr bester Freund.

John ging in die Küche und seufzte leicht. Doch als er das Licht sah lächelte er. "Hier gibt es wirklich noch Licht?" Er war begeistert. Sonst mussten sie immer die Nächte im Dunkeln verbringen. Sie hatten sich auch nie getraut, Kerzen anzuzünden. Wer wusste schon, ob sie so nicht entdeckt werden würden.

Eve blickte auf und schrak kurz zusammen, dann nickte sie aber. "Angel hat die Notstromgeneratoren repariert und modifiziert. Wir lassen aber nur da Licht brennen, wo keine Fenster sind, wegen der Zombies.", erklärte sie und legte den Kopf schief. "Kannst Du auch nicht schlafen?"

John lächelte. "Dein Bruder ist anscheinend ziemlich schlau." Er setzte sich auf einen Stuhl. "Ich habe es noch nicht einmal versucht. Ich mache mir zu große Sorgen."

"Das ist er." Eve schmunzelte leicht und stützte den Kopf auf eine Hand, mit der anderen rührte sie in einem Glas Wasser herum. "Um Deine Begleiterin?", fragte sie dann relativ direkt nach.

John sah Eve an. "Sie ist meine beste Freundin, seit wir klein sind. Deswegen weiß ich von all ihren Problemen, mit denen sie schon zu tun hatte. Dass dein Bruder ihr jetzt Medikamente geben will, damit sie wieder glücklicher wird, halte ich daher für keine gute Idee. Sie ist schon viel zu oft süchtig gewesen und jedes mal wurde der Entzug schlimmer. Natürlich war ich immer bei ihr, aber... Es macht doch nicht nur sie kaputt.", prasselte alles aus ihm heraus. Er wusste, dass er es Eve eigentlich nicht erzählen durfte, aber er musste einfach mit jemandem reden. Er mochte Eve und er vertraute ihr. Deswegen tat es auch gut, es ihr zu erzählen.

Eve hörte John aufmerksam zu, wie er von seiner und Sashas Freundschaft berichtete, und nickte ab und zu verständnisvoll. "Ich weiß, was Du meinst...", meinte sie leise und griff unwillkürlich nach Johns Arm, um ihn tröstend zu streicheln, wie von einem kranken Patienten, der über seine Sorgen klagte. "Drogen machen auch die Leute, die einem nahestehen, kaputt." Sie lächelte dann aufmunternd. "Keine Sorge, Angel wird ihr schon nichts geben. Ohne mich kommt er ja an den Kram überhaupt nicht ran."

"Ich hoffe es." John legte seinen Kopf auf den Tisch und nahm Eves Hand in seine. "Es ist schön, dass du da bist."

Sasha stand in der Tür und beobachtete die Beiden. Sie ging dann zurück auf den Flur. Sie sah kurz zum Fenster. Sie könnte jetzt einfach gehen und die ganze Eifersucht hier lassen. Sie war nicht eifersüchtig, dass John so gut mit Eve klar kam. Sie war eifersüchtig, dass er jemanden gefunden hatte, dem er sich anvertrauen konnte.

"Ich verspreche es Dir. Auf alles, was mir heilig ist." Eve drückte seine Hand kurz. Wenigstens einer, der so über sie dachte... "Das kann ich nur zurückgeben.", meinte sie mit einem leichten Lächeln.

John küsste kurz ihre Hand. "So könnte ich jetzt einschlafen.", murmelte er leise.

Sasha entschied sich spontan zu einem Nachtspaziergang. Wenn sie dabei sterben würde, wäre es eben so. John hatte jetzt jemand anderen. Sie hatte niemanden. Also stieg sie auf dem Fenster, in das sie geklettert waren. Jedoch nicht, ohne sich eine Waffe mit zu nehmen.

Eve wurde ein wenig rot und lächelte. "Das ist doch unbequem.", meinte sie und strich ihm ein wenig gedankenverloren durch die Haare. "Soll ich Dir nicht lieber ein Bett zeigen?"

"Nö.", meinte John. Er genoss die Berührungen, die sie ihm gab.

Sasha lief dann ein wenig durch die Stadt. Sie sah nirgends einen Beißer. Das war auch gut so. Sie fing an, nach etwas Bestimmten zu suchen.

"Wie Du meinst." Eve streichelte ihn sanft weiter und lächelte lieb. Er war so nett zu ihr... kaum zu glauben eigentlich...

Angel wurde nach einer Weile wach, schulterte sein Gewehr und verließ den Raum.

John lächelte zufrieden. "Ab jetzt wird alles anders.", flüsterte er.

Sasha kam an einem Laden vorbei. Sie sah ihn sich genau an. Eigentlich war sie sicher, dass schon alle Lebensmittel geplündert worden waren, aber das, was sie suchte vielleicht noch nicht. Also ging sie hinein.

Eve nickte. "Bestimmt.", meinte sie mit einem aufmunternden Lächeln ebenso leise wie er.

Angel sah, dass in der Küche noch Licht brannte, und schlinzte lautlos hinein.

John legte ihre Hand an seine Wange. "Du weißt gar nicht, wie gut das tut.", flüsterte er.

Sasha fand schließlich, was sie gesucht hatte. Sie fing an ihren Kummer in Alkohol zu ertränken.

Eve wurde leicht rot, lächelte aber. "Doch, ich glaube, ich kann es mir vorstellen.", gab sie leise zurück und schaute ihn lächelnd an. Er war so lieb... so...

John setzte sich wieder auf und nahm ihr Gesicht sanft in seine Hände. Er lächelte sie leicht an. Es war so ewig her, seit er jemandem körperliche Nähe gab. Sasha zählte da einfach nicht.

Eve blickte auf und wurde ein wenig röter, sodass ihre Wangen auch etwas wärmer wurden, lächelte aber zurück und kam ihm zögerlich einen knappen Zentimeter näher.

John merkte gar nicht, wie er ihr näher kam. Sie zog ihn einfach an und ehe er sich versah, lagen seine Lippen auf ihren.

Eve riss kurz die Augen auf, schloss sie dann aber und genoss den Kuss. Ihr Herz flatterte in ihrer Brust und am Liebsten hätte sie den Kontakt gar nicht mehr unterbrochen. Es war einfach so schön... seine Lippen... alles...
...zumindest, bis sie plötzlich spürte, wie John von ihr weggedrückt wurde, und deswegen die Augen aufmachte. Verwirrt schaute sie zu Angel hoch, welcher gerade sie mit der Hand und John mit dem Lauf seines Gewehrs auseinander schob, der Blick merkwürdig ruhig. Nicht gut... "John, kann ich Dich mal kurz sprechen?!", fragte der Blonde mit ruhiger, aber eiskalter Stimme.

John sah Angel ebenso kalt an. "Sprich ruhig. Ich hör dir zu." Er hatte keine Angst davor, dass er ihn erschießen würde. Er glaubte nicht daran, dass er das Eve antun würde. Außerdem war es ihm langsam egal. Wenn er wegen so etwas sterben sollte, dann war es eben so.

"Eve, geh bitte raus.", wies Angel seine Schwester an, ohne sie dabei auch nur anzuschauen. "Angel, ich..." "Sofort." Die Stimme des Blonden duldete keine Widerrede, aber dennoch erlaubte sich seine Schwester, ihm einfach das Gewehr abzunehmen. "Du wirst ihn nicht erschießen!", meinte sie noch mit funkelndem Blick, schaute noch einmal zu John und lächelte ein "Alles-wird-gut"-Lächeln, wie eine Krankenschwester eben. Dann verließ sie die Küche. Wo wohl Sasha war? Das blonde Mädchen machte sich auf die Suche.
Angel knurrte kurz und seine Hand ballte sich zur Faust, aber jetzt konnte er eh nichts mehr machen. Seufzend ließ er sich auf dem Platz nieder, auf dem vorhin noch seine Schwester gesessen hatte. "Hatte ich Dir nicht gesagt, dass Du die Finger von ihr lassen sollst?", fragte er unterkühlt, aber an seinen Augen sah man an, wie sehr er unter der Oberfläche kochte.

John sah ihn kaum an. "Wieso solltest du das entscheiden dürfen? Hat sie keinen eigenen Kopf? Ich glaube nicht, dass ich etwas getan habe, was sie nicht wollte." Er fand, dass der Blonde wirklich übertrieb. Was sollte dieses ganze Theater?

Sasha war schon etwas sehr angeheitert, als ihr einfiel, dass sie vielleicht zurück gehen sollte. Sie wollte John immerhin nicht alleine lassen. Das durfte sie nicht. Schwankend trat sie auf die Straße hinaus.

"Sie ist meine kleine Schwester.", entgegnete Angel unterkühlt und tippte mit seiner dreifingrigen Hand auf der Tischplatte herum. "Ich lass nicht zu, dass ihr jemand in diesen Zeiten schadet. Was willst Du von ihr? Suchst Du ein schnelles Rein-Raus-Erlebnis, weil Du an Sasha nicht rankommst?" Er traute diesem Typen nicht. Der Kerl sah so aus, als würde er Frauen das Herz brechen.

Eve suchte das andere Mädchen im ganzen Gebäude, fand sie aber nicht. Sasha war doch nicht... ohje, das war nicht gut! Immer noch das Gewehr auf dem Rücken, schlich sie sich nach draußen und blickte um sich. "Sasha?", rief sie leise.