Geschichte

Theo schüttelte nur den Kopf und verschwand, nackt wie er war, zwischen seine Bücherregale. Wie hatte er sich nur in diesem Wolfsjungen täuschen können? Er hielt ihn auch für ein Monster. Für eine Missgeburt. Wütend trat er gegen ein bereits schwerst malträtiertes Bücherregal, anschließend kauerte er sich zusammen und schüttelte wie wild den Kopf, ehe er zu schreien anfing.

"Sie haben angefangen.", entgegnete Noel schulterzuckend. "Sie haben uns schon immer gejagt und umgebracht. Einige haben sie ausgerottet."

Benjen lauschte dem Schrei und sah traurig zu Boden. Sein Freund litt und er konnte einfach nichts dagegen machen. "Solange er sich nicht helfen lassen will, kann ich das auch nicht.", flüsterte er sich selbst zu.

Lux knabberte leicht auf ihrer Unterlippe rum. "Vielleicht versteh ich das ganze einfach noch nicht."

Theo schrie eine ganze Weile, bis er keinen Atem mehr hatte, und ließ sich dann auf die Seite fallen. Warum... warum... es war so sinnlos. So lächerlich. "Lach für mich, Hübscher." Und er lachte. Lachte, um seinen Schmerz zu vergessen. Um nichts mehr zu fühlen. Nur noch lachen.

"Es ist schwierig." Noel zuckte mit den Schultern. "Die Menschen haben uns mehr Leid zugefügt als wir ihnen jemals könnten."

Benjen entschloss sich, zu versuchen ihm zu helfen. Er klopfte an die Tür. "Theo? Alles okay?"

Lux nickte leicht. "Du wirst wohl recht haben."

"Was interessiert Dich das?!", gab Theo schreiend und lachend zurück. "Ich bin doch nur das Monster. Das lächerliche Monster, was Du bewachen musst." Langsam verstummte er und blieb so ausgestreckt auf dem Boden liegen, den Blick an die Decke gerichtet.

Noel nickte. "Wollen wir langsam weiter?", schlug sie lächelnd vor.

"Du bist weder ein Monster noch lächerlich.", bestritt Benjen. "Du bist mein Freund und ein guter Mann."

Lux nickte. "Gern."

"Schau mich doch an, Benjen.", entgegnete Theo, wieder mit ruhiger Stimme. "Ich bin eine Missgeburt. Eine verunstaltete Fee unter lauter Zentauren. Etwas, das niemand haben will." Er drehte sich auf die Seite und starrte die Tür an. "Als ob. Du siehst mich doch nicht als Freund..."

"Gib mir eine Sekunde, um zu bezahlen." Noel stand auf und ging zur Theke, um eben zu bezahlen.

"Du bist mein Freund." Benjen lehnte sich an die Tür. "Mehr als dir versuchen zu helfen, kann ich nicht. Sei nicht so unfair. Helfen kann ich dir allerdings auch nur, wenn du anfängst, dich selbst etwas zu mögen."

Lux sah ihr nach. Ihr war nicht so wohl dabei, allein am Tisch zu sitzen. Es war alles einfach viel zu neu. Zum Glück hatte sie eine so gute Freundin gefunden.

Theo setzte sich wieder gerade hin, den starrenden Blick weiter auf die Tür gerichtet. "Du wolltest doch nicht mit mir gehen.", machte er ihm leise einen Vorwurf und legte den Kopf schief.

Noel kam wenig später wieder. "So. Alles erledigt.", lächelte sie.

"Ich wollte immer mit dir gehen.", widersprach Benjen. "Aber nicht, wenn du dich selbst so behandelst."

Lux lächelte zurück und stand auf. "Okay."

Theo zuckte mit den Schultern. "Dann muss ich wohl hier drin bleiben.", entgegnete er und legte den Kopf auf die Knie. Er würde hier drin schon irgendwann verschimmeln.

Noel verließ mit ihr das Restaurant. "So. Wohin als nächstes?"

"Das müsstest du nicht, wenn du das sehen würdest, was ich sehe.", meinte Benjen.

Lux ging mit ihr. "Ich weiß nicht.", gestand sie. "Ich kenne mich hier doch gar nicht aus."

"Was siehst Du? Einen Haufen Bandagen und Kleidungsstücke, um mich zu verbergen.", entgegnete Theo. "Einen zerbrochenen Mann. Mehr nicht."

"Wolltest Du nicht zum König?", fragte Noel nach und legte den Kopf ein wenig schief.

"Ich sehe einen starken Mann, der viel Leid ertragen musste und trotzdem noch lebt. Jemanden der noch nicht vollkommen aufgegeben hat." Benjen sah an die Decke. "Einen Mann, der sich zwar versteckt hält, was er aber nicht muss, weil es nicht sein Fehler ist, was mit ihm passiert ist."

Lux zögerte etwas. "Ehrlich gesagt, habe ich etwas Angst davor. Ich kenne doch niemanden oder weiß, wer welches Wesen ist..."

"An manchen Tagen wünschte ich, ich wäre tot.", entgegnete Theo leise und wischte sich über die Augen. "Ich habe überlebt, weil der Mann genug von mir hatte. Es war reines Glück." Tränen liefen über seine verstümmelten Wangen. 

"Der König ist ein Zentaur, ebenso wie seine meisten Kinder.", erklärte Noel. "Sein Stiefsohn bildet da eine Ausnahme, er ist eine Fee. Am Hof sind viele Zentauren, aber auch Wolfsmenschen unterwegs."

"Das ist nicht wahr.", meinte Benjen. "Weil du überleben wolltest, konntest du das auch."

Lux runzelte leicht die Stirn. Sie schien darüber nachzudenken. "Aber denkst du wirklich, dass sie mich willkommen heißen?"

Theo seufzte. ""Er hätte mich körperlich zerbrechen können, wenn er es gewollt hätte. Wieso hat er es nicht getan?", fragte er leise und ließ sich die Haare ins Gesicht fallen. "Benjen...", murmelte er den Namen seines Dieners, seufzte aber dann. "Ich glaube, Du siehst gar nicht, wie ich bin, sondern eher, wie ich war."

"Normaler Weise ist er sehr offen gegenüber allen Rassen." Noel zuckte mit den Schultern.

"Ich sehe nicht die Vergangenheit, sondern die Gegenwart." Benjen war sich sicher, dass in seinem Freund noch genau das steckte. "Ich glaube eben an dich. Was soll daran verkehrt sein?"

"Was wird er dafür verlangen, wenn ich für eine gewisse Zeit bei dem Zirkel leben will?"Lux war extrem verunsichert.

"Weil es einfacher ist, von vornerein sich einzugestehen, dass es nichts gibt, woran man glauben könnte. Zumindest bei mir nicht." Theo rappelte sich langsam auf und warf sich einen Mantel über. "Du solltest Deine Hoffnung nicht verschwenden."

Noel zuckte mit den Schultern. "Vielleicht eine gewisse Unterstützung. Sprich doch erst mal mit ihm."

"Sie ist nicht verschwendet.", meinte Benjen. Er legte alle Ehrlichkeit in diese Worte, die er aufbringen konnte. Er wusste, dass es stimmte. Jetzt musste nur Theo das auch noch sehen.

"Wenn er will, dass ich Menschen töte..." Lux stockte etwas. Was sollte sie dann tun?

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antworte überall noch einmal und dann bin ich weg

Theo seufzte. Wieso war Benjen bloß so ein Narr? Er sollte doch einsehen, dass es bei Theo nichts mehr zu retten gab. "Glaubst du das wirklich?"

"Das wird er wohl kaum verlangen."

"Ich bin der festen Überzeugung." Benjen würde seinen Freund und Herrn niemals anlügen.

"Ich hoffe es..."

"Warum?", fragte Theo leise. "Warum glaubst Du an mich? Warum kannst Du nicht akzeptieren, dass es um mich geschehen ist?"

"Bestimmt." Noel lächelte. "Ich begleite Dich auch gerne."

"Solange du lebst, ist es nicht um dich geschehen und du bist mein Freund. Ich glaube an dich, weil es noch genug Gründe dafür gibt.", antwortete Benjen. Es war egal, wie leise Theo sprach, er würde es immer hören. Das war einer der Vorteile eines Wolfsmenschen.

Lux klopfte das Herz bis zum Hals. "O-okay!"

"Welche denn? Was habe ich noch von diesem Leben?", fragte Theo leise und schüttelte den Kopf. "Du verschwendest Deine Energie mit mir, warum? Du könntest so viel glücklicher sein..."

Noel lächelte. "Dann auf. Lass uns gehen, bevor es dunkel wird."