Geschichte

Cobalt entging nicht, dass sie plötzlich nachdenklich wirkte. "Ist alles okay?", fragte er vorsichtig nach und sah sie besorgt an. Vielleicht hatte er sie mit seinen Erzählungen doch zu sehr verschreckt.

Bloodwyn sah müde auf die Uhr und stellte fest, wie spät es schon war. "Scheiße." Er rappelte sich auf und ging eilig duschen.

Annie sah ihn an. "Es ist alles okay." Sie lächelte ihn an. "Ich denke nur etwas nach. Irgendwie muss ich das ganze doch verarbeiten." Ihr Blick ging durch die Cafeteria. Doch Bloodwyn war nicht da. Gut so. Immerhin waren sie keine Freunde.

Cobalt nickte leicht. "Ich weiß, wie Du dich fühlst, glaub mir. Für mich war das auch ziemlich schwer zu verarbeiten..." Er erinnerte sich zwar kaum noch daran - immerhin war er damals gerade erst ein Jahr alt gewesen - aber seine Kindheit war dank seines Zombie-Bruders nie einfach gewesen. Er durfte nie Freunde mit nach Hause bringen und hatte deswegen auch keine gehabt. Egal, wie gut er in der Schule gewesen war, seine Eltern kümmerten sich mehr um Cody.

Annie nahm Cobalts Hand. "Ich bin froh, einen so guten Freund wie dich zu haben." Sie lächelte ihn an. "Ich glaube, dass ich es verarbeiten werde. Alles hier."

Cobalt sah auf und lächelte leicht. "Ich bin auch froh, eine so gute Freundin wie Dich zu haben." Er strich ihr sanft über den Handrücken. "Es wird mit der Zeit einfacher, glaub mir."

"Das glaube ich auch." Annie trank noch einen Schluck Tee, ließ aber mit der einen Hand Coblats nicht los. Sie brauchte den Halt, den er ihr gab.

"Für mich war es am Anfang auch schwer und ich bin immerhin damit groß geworden." Cobalt strich ihr weiter über die Hand. "Insofern bin ich ehrlich beeindruckt, dass Du darauf gefasster reagierst..." Anders als... 

"Man sollte doch eigentlich für alles offen sein.", meinte Annie lächelnd. "Außerdem ergibt jetzt er alles, was in den letzten Tagen passiert ist einen Sinn."

"Ja, eigentlich schon..." Cobalt sah zur Seite und strich sich leicht durchs Haar. Dann sah er Annie an und lächelte kurz. "Es freut mich trotzdem. Ich habe schon... ganz andere Reaktionen erleben müssen."

"Willst du mir davon erzählen?", fragte Annie. Sie wollte für ihn da sein, so wie er es für sie war.

"Ach, es geht nur um meinen Ex, Gawain.", erklärte Cobalt. "Er... war nicht sehr glücklich darüber, als er erfahren hat, dass meine Eltern meinen Vampirbruder zu Hause versteckt hielten..."

"Hat er dich deswegen verlassen?", fragte Annie. "Dann hat er dich gar nicht verdient gehabt."

"Nein... nicht ganz." Cobalt seufzte, legte seinen Arm auf den Tisch und bettete seinen Kopf darauf. "Er... war einer der Jäger.", erklärte er. "Das wusste ich auch, deswegen habe ich ihm nichts von Cody erzählt..."

"Ein Vampirjäger?", fragte Annie verwirrt. "Wollte er deinem Bruder etwas tun?"

"Er wollte Versuche mit ihm anstellen, ja. Um ihn wieder zu einem Menschen zu machen, weil Cody ja nur Halbvampir ist.", erklärte Cobalt. "Sie überfielen unser Haus nachts, aber niemand hatte den anderen gesagt, wer der Vampir bei uns ist..."

"Er wollte Versuche mit ihm anstellen, ja. Um ihn wieder zu einem Menschen zu machen, weil Cody ja nur Halbvampir ist.", erklärte Cobalt. "Sie überfielen unser Haus nachts, aber niemand hatte den anderen gesagt, wer der Vampir bei uns ist..."

Annie war geschockt. Wie konnte man so etwas nur tun? Sie legte ihre freie Hand an seine Wange. "Das tut mir leid."

"Ist schon gut..." Bei genauerer Betrachtung sah man, dass hinter Cobalts Haaren seine Wange ziemlich vernarbt war. "Wir haben es ja alle überlebt und Cody macht es eh kaum was, wenn man ihn auseinander nimmt..." Er überspielte seine Traurigkeit durch ein Grinsen.

Annie stand auf und umarmte ihn. "Cobalt...", flüsterte sie traurig. Sie küsste ihn auf die Stirn. "Es tut mir so sehr leid."

Cobalt sah zu ihr hoch. "Muss es nicht." Er lächelte. "Ich meine, das ist jetzt auch schon drei Jahre her und seitdem wurden wir nicht mehr von Vampirjägern belästigt... bis gestern jedenfalls."

Annie drückte ihn an sich. "Das ist alles so... schrecklich." Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Doch dann klingelte die Schulglocke und verläutete, dass die nächste Stunde gleich anfing.

"Tut mir leid, ich wollte nicht, dass Du traurig deswegen bist." Cobalt drückte sie kurz und sah dann auf. "Wir müssen zum Unterricht..." Er trank seinen Tee in Ruhe aus.

Annie brachte alles zur Geschirrrückgabe und nahm dann wieder Cobalts Hand. "Komm. Wir gehen zusammen." Sie empfand es als entspannend, wenn er ihr halt gab.

Cobalt nickte und ging mit ihr zusammen zum Unterricht. Es war schön, eine Freundin zu haben, mit der er das alles offen teilen konnte. Sich nicht mehr zu verstecken, wie früher...

Bloodwyn war mittlerweile auch im Klassenraum und saß regungslos, nahezu versteinert auf seinem Platz.

Annie hielt Cobalts Hand ganz fest, als sie das Klassenzimmer betrat und Bloodwyn sah. "Glaubst du, dass er auch einer von ihnen ist?", flüsterte sie dann Cobalt zu. Das würde vielleicht erklären, warum Bloodwyn so war, wie er war.